von Jens Schmiehoff
Nach interessanten morgendlichen Gesprächen mit den Mitgliedern von „Death Alley“, die in der gleichen Pension untergebracht waren, begab man sich dann gegen 11 Uhr zurück zum Gelände. Etwas früher, weil der Veranstalter via Facebook am Vortage bekanntgab, dass die Bands an der „Wake & Bake Stage“ kurzfristig von 2 auf 3 aufgestockt wurden. Dazu kam die norwegische Zweimanncombo „Hymn“, denen ein avisierter Gig am gleichen Tage gecancelled wurde. So sprangen dann die „Rock Freaks“ kurzer Hand ein und stellten die Bühne für einen Ausweichtermin zur Verfügung.
„Hymn“, bestehend aus Schlagzeuger und Gitarrist/Sänger spielten einen rifforientierten Metal, der mich ein ganz klein wenig an „Mantar“ erinnerte. Somit nicht zwingend meine musikalische Vorliebe. Dem Publikum gefiel‘s aber. Im Anschluss betraten „Sativa Root“ aus Österreich die Bühne. Stoner Rock mit starken Doom- und Psychodelic-Einflüssen stand auf dem Programm. Das Salzburger Trio zeigte sich extrem spielfreudig und legte einen sehr intensiven instrumentalen Gig hin. Ohne überflüssige Ansagen, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie machten Spaß und schienen komplett begeistert zu sein, wie sehr an diesem Vormittage Sound, Performance und Publikum zu einer Einheit wurden. Ein Gewinn für alle Beteiligten. Zu guter Letzt beendeten dann die Briten von Vôdûn das Freak Valley Festival auf der kleinen Bühne. Auf diese Band, die ihren Stil gern auch als Voodoo-Metal bezeichnet, habe ich mich schon aus einem einzigen Grund sehr gefreut. Und zwar hat die aus West-Afrika stammende Sängerin ein großartiges Organ, was mich arg an die junge Joyce „Baby Jean“ Kennedy von Mother’s Finest erinnert. Und live steht diese Stimme den Studioaufnahmen in überhaupt nichts nach. Zu den Heavy Psych Klängen der Rhythmusfraktion (dr, gui) sorgt nicht nur ihre Stimme, sondern auch die wirklich sehr spirituell-haitianisch angehauchten Voodoo-Klänge für ein einzigartiges Erlebnis. Treibend kraftvoll und elektrisierend zugleich.
Schnurstracks zur großen Bühne, warteten dann die maskierten Herren von „Salem’s Pot“ auf uns. Nicht nur maskiert, sondern, bezogen auf den Sänger der Schweden, auch in ein herrlich figurbetontes Sommerkleid gehüllt. Wer aber nun der Meinung war, dies sei der wesentliche Aspekt dieses Gigs, hat die Rechnung dann doch ohne die Jungs gemacht. Leider aber passte die Außenstimmung nicht zum „Horror B-Movies die musikalische wie inszenatorische Ehre erweisenden“ Auftritt. Es paaren sich Keyboardklänge, die mich ein wenig an die guten alten Goblin-Zeiten der 70er und 80er Jahre Argento-Flicks erinnerten, mit Unmengen von Fuzzparts, die wohl noch intensiver herüber gekommen wären, wenn es zu dieser Tageszeit nicht so erheblich an Dunkelheit gemangelt hätte. So ging diese atmosphärisch Grundstimmung leider ein wenig im Tageslicht verloren. Dies änderte aber nichts daran, dass ihr doomiger Basissound, der immer wieder mal von Spacerock und 60ies Rock Passagen durchtränkt wurde, immens zündete. Man spürte zudem in vielen Noten, dass die großen „Electric Wizard“, die Band ist, die nach eigenem Bekunden eins der größten musikalischen Vorbilder des schwedischen Quintetts ist. Die jubelnde Menge ließ schon während des Konzertes unüberhörbar erkennen, dass sie diese Truppe in ihr musikalisches Herz zu schließen bereit waren
Sodann kamen wir auch schon zur zweiten Premiere in der sechsjährigen Vita des Freak Valley Festivals. Erstmalig trat eine japanische Band auf. Und war gleichzeitig für mich eine der größten Entdeckungen dieser drei Netphener Tage. „Kikagaku Moyo“ reisten mit ihrem noch recht jungen, fünften Studio-Output ( 3 LPs, 2 EPs) im Gepäck an. Wie nicht anders zu erwarten, hatte das FV-Publikum überhaupt keine Berührungsängste mit dieser Art experimenteller Musik. Eher im Gegenteil. Die fünf Mannen aus Tokio, die seit 2012 zusammen spielen, hätten sicherlich auch auf jedem „Woodstock-feel-alike-Festival“ dieser Welt ihren verdienten Platz. In dem aus sechs Liedern zusammengestellten Set ließ dieser wunderbare Mix aus Kraut- und Psychedelic-Rock das Hier und Jetzt sich problemlos in Wohlgefallen auflösen. Wer bis dato noch nicht wusste, dass die Japaner die deutschen Krautrocker „Guru Guru“ als wegweisend für ihren eigenen Sound betrachten, konnte dies nach dem ersten Stück namens „Green Sugar“ durchaus erahnen. Minimalistisch und doch kraftvoll zugleich. Dieser Jamcharakter zog sich wie ein wertvoller Seidenfaden durch das gesamte Programm, ohne dabei sich wiederholend oder gar langwierig herüber zu kommen. Ihr Anspruch, experimentell und stets atmosphärisch das Gelände zu fluten, ging vollends auf. Mir wurde nach den 45 Minuten wieder einmal deutlich gemacht, dass Überraschungen ein wichtiger Bestandteil eines jeden Festivals sind. Und die freundlichen Japaner dachten offensichtlich ähnlich, so gerührt wie sie nach dem unüberhörbaren Zuspruch der Zuhörer zu sein schienen.
Teile der Band, die dann auf die Bühne traten, schienen das Publikum zu verunsichern. „Church Of The Cosmic Skull“, sieben Briten aus Nottingham, bezeichnen sich selbst als wahrhaftige Kirche, als religiöse Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, uns Menschen von allen materiellen Besitztümern zu befreien und in einem allumfassend und einzigartigen kosmischen Ganzen zu vereinen. Und so betraten sie dann auch, allesamt in unschuldigen, weißen Kleidern gekleidet, die Bühne. Irgendwie hatte es optisch etwas von Abba, den Les Humphries Singers und einem Mitarbeitertreffen der Ärztevereinigung zugleich, mündete aber musikalisch nicht selten in einem Mix aus der französischen Progrock-Band „Magma“ und Leslie Wests „Mountain“. Der Opener „Mountain Heart“, für mich auch das Album-Highlight, zeigt schnell, in welche musikalische Richtung es gehen kann. Classic Rock mit feinsten Gesangsarrangements sowie immer mal eingestreuten Folk- wie auch Prog-Elementen. Ganz aus der Zeit der sehr späten Sixties und Seventees stammend. Das sich in einem heavy riffing glücklich labende „Black Dog“, das folkloristisch-minimalistische „Answers in your soul“, „Is Satan real?“, welches als trauriger Gospel beginnt und auch endet und inmitten einen geradzu unheilvollen Jazzpart in sich birgt sowie auch das „progstravagante“ „Evil in your eye“ zeigen doch deutlich, dass die Frauen und Mannen um den großartigen Gitarristen und Sänger Bill Fisher weitaus interessanter und abwechslungsreicher sind, als vielleicht anfangs gedacht. Für mich war es ein Potpourri der guten Laune, welches mir ein stetes Lächeln ins Gesicht zauberte.
Direkt aus der britischen Kirchengemeinde kommend, ging es dann in die australische „Motherfucker“-Wüste. „Mammoth Mammoth erschienen und boten exakt das, was man von ihnen erwarten durfte und erwartet hat. „Punk’n’Roll“ mit ordentlichen Stoner-Attributen gewürzt. In ihrem Set fanden Songs aus allen bisherigen drei Alben Platz. Sänger Mikey Tucker, der gewohnt extrovertiert auch wieder einmal durch das Publikum lief, sprang und stolperte, ließ keine Möglichkeit aus, zu zeigen, wieso er und seine Mannen in mehreren Melbourner Clubs mit Lokalverboten Vorlieb nehmen müssen. Die Rhythmussektion bestehend aus Frank Trobbiani am Schlagwerk, Pete Bell am Bass und erstmalig dem großartigen Damian Murdoch am Sechssaiter sorgten für eine druckvolle Ummantelung des Tucker‘schen Tuns. Brachial und rotzig wurde der Zuhörerschaft von „Hell’s likely“, „Spellbound“, „Fuel Injected“, „Weapon of Mass Self Destruction“ bis hin zu „Sittin‘ pretty“ nur der nötigste Raum zum Durchschnaufen gestattet. Das MC5-Cover „Kick out the jams“ war letztlich nach knapp 50 Minuten der würdige Abschluss eines impulsiven und imposanten Sets. Wer im Übrigen immer noch den eigentlichen Gitarristen Ben „Cuz“ Couzens vermisst, muss sich noch etwas gedulden. Wie Schlagzeuger „Bones“ mir nach dem Gig erzählte, gehöre dieser immer noch zur Band, müsse aber aus visarechtlichen Gründen in der australischen Heimat verweilen. Und nachdem auf der Clubtour Simon Jaunay einsprang, hat man für die sommerlichen Festivals Damian Murdoch gewinnen können, der ansonsten mit seinem wunderbaren „Damian Murdoch Trio“ das australische Outback unsicher macht. Zum Jahresende wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach auch Cuz wieder mit an Bord sein.
Da die nächste angekündigte Band namens „Wand“ von „Murphy’s Law“ heimgesucht wurde, erst stoppte sie eine Autopanne und im Anschluss standen sie im Stau, kam es zu einem kurzfristigen Wechsel im Line-Up und als nächstes betraten „Mothership“ die Bühne. Jene „Mothership“, die weiland 2014 bereits das FVF bereicherten. Nun im Jahre 2017, 1 Studio- und 1 Live-Album („Live over Freak Valley“) später, hat das Trio um die Gebrüder Kelly (gui, voc) und Kyle Juett (bs, voc) sowie Drummer Juston ‚Judge‘ Smith im Siegerland einen guten Ruf zu verteidigen. Was ihnen zweifelsohne auch nur allzu spielerisch gelingt. Mit vier Songs des aktuellen Outputs „High Strangeness“ hauen uns die drei Jungs aus Dallas ein fettes Heavy-Classic-Doom-Gebräu direkt in die Lauschkanäle. Die Jungs haben Spaß und übertragen die Energie, die man schon beim Durchhören der Alben spürt, ohne Wenn und Aber auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Heavy riffing, doomige vibes, speedy drumming – diese Jungs sind die Fleisch gewordene Antwort auf die Frage, ob der Rock’n’Roll tot sei. „Mothership“ sind ein musikalischer 12-Tonner, auf dem Wege quer durch das musikalische Universum. ZZ Top, UFO, Molly Hatchet, Black Sabbath – wenn man will, kann man viele verschiedene Sounds in der Musik der Texaner erkennen. Wer nun meint, dass dieser Auftritt nur ein rein professionelles Ding der drei wäre, muss sie nur einmal rund um einen Auftritt erleben. Sie sind stets freundlich, ehrlich, überaus sympathisch, spaßig und nur sehr selten nicht durstig. Sie sind ganz einfach purer Rock’n’Roll. Hellyeah!
„Wand“ gingen dann weitestgehend an mir vorüber, weil ich hungrig und durstig das Gelände durchforstete. Nicht, weil man nichts Vernünftiges zu Essen, respektive Trinken, finden kann, sondern, weil ich mich, bezüglich der festen Nahrung, unter dem großen wie schmackhaften Angebot kaum entscheiden konnte. Nur aus der Ferne vernahm ich dann die doch sehr britisch klingenden, psychedelischen Klänge des Quartetts aus Kalifornien. Ich hatte ab und an den Eindruck, sogar Songstrukturen aus frühen „David Bowie“ und „Brian Eno“-Werken zu erkennen. „Wand“ klangen nichtsdestotrotz in meinen Ohren eigenständig genug, um nicht exakt wie irgendwer anders zu klingen, schienen aber auch kein Problem damit zu haben, sich eben jene Strukturen anderer Bands zu eigen zu machen. Dem aufbrandenden Jubel nach zu urteilen, sah dies das Publikum ebenso positiv.
Immer noch nicht zurück an der Hauptbühne, vernahm ich dann plötzlich sehr elektronische Klänge, die mich sofort an „Trance“-Musik erinnerten. Nur durch das laute Geschrei nebenher konnte ich mir sicher sein, dass es sich tatsächlich schon um die neue Band und keineswegs um ein musikalisches Intermezzo vom Band handelte. Wir, das heißt ich war ja eigentlich noch nicht mit dabei, begrüßten sodann „Föllakzoid“ aus Chile, die sich selbst gern als „A Chilean based cosmic music band“ vorstellen. Und was soll ich schreiben? Meins war es nicht. Aber in einigen Gesprächen nach deren Gig stellte sich schnell heraus, dass ich wohl einer der Wenigen war, denen es so ging. Diese elektronischen Rhythmen, die den Sound dominierten, wurden unentwegt begleitet von bisweilen hypnotischen Gitarrenläufen, einem stoischen Bassspiel und den schlagenden Drums. Die Gitarre war häufig zweckentfremdet hörbar; also mal samt Echo, dann mal mehrspurig oder aufkreischend und jaulend. Darunter eben immer dieser eine Beat, der sich nahezu das gesamte Konzert über halten wollte. Und ja, natürlich wippt man dann auch irgendwann einmal mit, dies will aber der Rezensent nicht als große Sympathie verstanden wissen (lacht). Natürlich war es Krautrock affin, und ja, auch oder vor Allem spacig, aber mir wurde es schnell viel zu eintönig und langwierig. Dies mag man mir insofern nachsehen, dass ich ja eigentlich mit dem NWOBHM musikalisch sozialisiert wurde. Also zumeist überschaubar lange Songs, die selten lang benötigten, um auf den Punkt zu kommen. Das krasse Gegenteil dessen, und das spürte ich beim Auftritt der Chilenen, war für mich dann eher gewöhnungsbedürftig. Als Resonanz auf diesen Gig schien meine subjektive Meinung aber eher nicht repräsentativ. So ehrlich will ich sein. Erwähnenswert allemal noch, dass der Gitarrist dieser verrückten Truppe der erste, und höchstwahrscheinlich auch letzte, Musikant war, den ich mit einem modischen, hoch ausgeschnittenen Badeanzug aus der Kollektion eines deutschen Sportartikelherstellers bekleidet, auf der Bühne herumspringen sah. Respekt, mein südamerikanischer Freund. Das fand ich nicht nur gewagt, sondern auch mutig. Passte aber nur allzu gut ins Gesamtbild des Auftritts. Und das meine ich ausschließlich positiv.
Was nachher kam, verkehrte meinen Spaß an Musik dann schnurstracks ins komplette Gegenteil. Die australischen Jungs von „King Gizzard & The Lizard Wizard“ nahmen Anlauf, all die Herzen dieses Festivals auf einmal zu erobern. Und das im Sturme, aber keinesfalls einem witterungsbedingten. Wenn der Gemütszustand unserer lieben Erde momentan so dermaßen niedergeschlagen ist, bedarf es eigentlich einer genialen Truppe wie der, der Australier, um unsere Welt gewinnbringend mit Liebe und Spaß zu überfluten. Und famoser Musik selbstredend. Und sie haben Wort gehalten. Um diese Art Musik zu präsentieren, spielt Frontmann Stu Mackenzie eine kleine, gelbe selbst gebaute und mit einem mikrotonalen Griffbrett versehene Gitarre, die er liebevoll “The Flying Microtonal Banana” taufte (ist ebenso der Name des aktuellen sowie ersten von fünf (!) Alben dieses Jahr). Auf der Bühne verteilen sich dann all die anderen Musiker, einschließlich beider Schlagzeuger, um ihn herum. Der unglaubliche Trip startete mit „Rattlesnake“, der ausgekoppelten Single des aktuellen Longplayers obigen Titels. Und schon bei diesem Song konnte man unschwer spüren, dass das gesamte Publikum eine einfach nicht zu stillende Lust hatte, die Reise dieser Wahnsinnigen mitzugehen. Ohne zu wissen, wo genau diese endete. Das folgende „Nuclear Fusion“ war für mich der beste Song. Ein mächtiger, unglaublicher kraftvoller Song, der von einem beidseitigen „straightforward“ Drumming und tiefen Basstönen getragen wurde. Dazu der geradezu launenhafte Gesang „on top“. Zu Beginn spielten sie fast ausnahmslos Stücke des neuen Albums, welches das erste ist, das eher wenig konzeptionell aufgebaut ist und ungewöhnlich viele zurückhaltende Momente inne hat.
Man muss wissen, dass nach einer Fuzz-Gitarren-Eskalation zu Beginn die Band auf „Paper Maché Dream Balloon“ rein akustische Gitarren hat sprechen lassen, nur um danach mit „Nonagon Infinity“ Thrash-Metal in Psych-Rock zu übersetzen. Auch auf „Flying Microtonal Banana“ geht es eben recht psychedelisch zu, wenn auch etwas gemäßigter. Es folgten im Anschluss Lieder älterer Alben wie „Alter me I“, „Alter me II“, „Altered Beast II“ oder „Altered Beast III“. Nicht nur, dass die Titel allein schon Spaß und gute Laune verbreiteten, begannen die Jungs uns nunmehr auch mit Heavy-, Punk- und auch Ska-Rhythmen gehörig unsere Hintern zu versohlen. Die Songs schienen immer außer Kontrolle zu geraten, währenddessen die Band sich einfach nur wohler und wohler zu fühlen schien. Dazu immer mal wieder Phasen psychedelischen Jammings – einfach nur großartig! Selbst wenn die zeitliche Möglichkeit bestanden hätte, eine Zugabe zu spielen, sie hätten es wohl gar nicht tun müssen. Weil ich selten auf einem Festival eine derart einheitliche Glückseligkeit und Zufriedenheit zur Kenntnis genommen habe. Was man von „King Gizzard & The Lizard Wizard“ vorgesetzt bekam, war Musik und Unterhaltung allererster Klasse. Und sie sind auf dem Wege nicht mehr, die Band zu sein, die man auf einem Festival sehen will, sondern bald schon eine weltweite Aufmerksamkeit erhalten werden. It’s King Gizzard and the Lizard Wizard’s world, we just live in it.
Wer nun meinte, dass das musikalische Ende der Fahnenstange erreicht war, sah sich aber geringfügig getäuscht. Was das US Power-Trio, bestehend aus Mario Rubalcaba (drums), Mike Eginton (Bass) und dem einmaligen und faszinierenden Isaiah Mitchell an der Gitarre, dem Publikum an Riffgewittern entgegen schlug, hat man in einer solchen Art und Weise wohl eher selten erlebt. So in etwa dürfte sich ein Rausch ohne die Einnahmen von Drogen jedweder Art anfühlen. Diesen Rausch, in den mich insbesondere Isaiah Mitchell spielte, habe ich persönlich vor einer Bühne so nur selten erlebt. „Earthless“ spielten eigentlich gar keine Riffs, sondern sie jammten, jammten und jammten. Es gibt Menschen wie mich, die dies mögen, gar lieben, aber wahrscheinlich auch andere, die sich nach einer halben Stunde nur noch ohne Ende langweilen. Auch ich habe mich vor dem ersten „Earthless“ Liveerlebnis gefragt, ob ich es wohl mögen werde. Ob sie es schaffen werden, mich genauso zu begeistern, wie, wenn ich daheim mich auf der Couch hinfläzend, ihren Songs lausche. Und zweifelsohne, sie schafften es. Einmal mehr. Ich erkannt es daran, dass ich am Ende ihres knapp 1 ½ stündigen Sets der Überzeugung war, ihnen nur wenige Minuten zugehört zu haben. Sie eröffneten mit „Uluru Rock“ vom 2013er Album „From the ages“. Dieses ging dann fast unbemerkt in den nächsten Song, „Violence of the Red Sea“, vom gleichen Longplayer über, bevor das reguläre Set mit „Sonic prayer“ vom Album „Rhythms from a cosmic sky“ abschloss. Als sehr eindrucksvoll empfand ich das Tagwerk von Schlagzeuger Mario Rubalcaba. Er hat so viel Feinheit ins Set gelegt, in dem er immer wieder allmählich das Tempo verschärfte und mehr „drum fills“ hinzufügte. Bassist Mike Eginton spielte sehr chillig und stoisch ruhig und hat kaum seinen Spot auf der Bühne verlassen. Schien aber jederzeit auf Rubalcaba fokussiert, um zu antizipieren, wann genau in den Jams die feinen Änderungen anstanden. Das war die hohe Schule des Instrumentalrocks. Isaiah Mitchell spielte nahezu ein über die gesamte Spielzeit andauerndes Solo und demonstrierte Griff für Griff, Ton für Ton seine brillante Technik. Sein Gitarrenspiel war so wunderbar und warm. Und ich halte gerade Letzteres für wesentlich, um diese Art Musik tatsächlich und vollkommen genießen zu können. Die drei Jungs aus San Diego kommen sehr freundlich, fast anspruchslos, rüber, aber sobald du sie in ein musikalisches Setting steckst, kannst du dich wunderbar fallen lassen und Funken fliegen sehen.
Nicht nur dieser finale Akt des Festivals ließ mich schon bei Verlassen des Geländes, gegen 1.30 Uhr früh, freudig erregt ins neue Jahr schauen. Ins Freak Valley Festival 2018, was dann ja erstmalig über vier Tage hinweg, die Fans begeistern soll.
Oder um wieder auf eingangs (Day 1) zitierte Worte Neil Youngs zurück zu kommen: „Keep on rockin‘ in the free world“!