von Jens Schmiehoff
Zum sechsten Mal rief das „Freak Valley Festival“ und zum ersten Mal folgte ich diesen Rufen. Viel gehört und gelesen darüber, ging es Donnerstag mit großer Freude in Richtung Netphen aufs dortige „AWO-Gelände“. Und was soll ich sagen? Schon die ersten visuellen Eindrücke ließen erahnen, dass dies stimmungstechnisch ein sehr entspanntes Festival werden wird. Und damit meine ich nicht, dass womöglich keine Stimmung aufkäme, sondern vielmehr, dass das anwesende Volk fast ein wenig in „Woodstock“-Manier sich über die gesamte Dauer relaxed und freundlich zeigte. Viele platzierte Sofas und Couches sorgten zudem für ein Rückzugsgebiet, ohne es sich dort gemütlich machend den Blick auf die Hauptbühne verlieren zu müssen. Dass kurz vor Festivalstart noch Neil Youngs großartiger Klassiker „Rockin‘ in the free world“, für mich ohnehin „one of Rocks all times best“, noch die Boxen durchzog, führte bei mir umgehend zu einer „Arsch auf Eimer“-Symbiose. Perfektes Motto für all das, was vor uns lag..
Schon an diesem ersten Tage erwartete mich ein musikalisches Potpourri. Sieben Bands aus fünf Nationen boten musikalische Hochgenüsse vielfältigster Natur. Es sich gerade sitzend auf der Wiese vor der Hauptbühne bequem machend, betraten schon die Jungs von „Black Willows“ die Bühne. Das Quartett aus Lausanne bot einen flotten Mix aus Stoner und Doom samt einiger Post-Rock-Elemente feil. Als Opener des Festivals eine tolle Wahl, was auch das noch ein wenig spärlich vorhandene Publikum zu honorieren gedachte.
Als nächstes dann eine Premiere für das „Freak Valley Festival“. Erstmals trat dort eine reine Damenband auf. Nämlich „MaidaVale“, die ihren Namen einer gleichnamigen U-Bahn-Station im Westen Londons verdanken. Ihre musikalischen Wurzeln haben die Schwedinnen im Sound der späten 60er bis frühen 70er Jahre. Meine zwei Lieblingstracks des Debutalbums durften glücklicherweise auch die Netphener Weiten bereichern. Das schnelle „Colour Blind“ zündet auch live und vermittelt zudem prima seine antirassistische Botschaft. Das etwas ruhigere „The greatest story ever told“ überzeugt mich ebenfalls „live on stage“ mit seinen grandiosen psychedelischen Gitarrenwänden und der wiederholt politischen Aufforderung, die Augen zu öffnen und sie nicht vor Kontrolle und Unterdrückung zu verschließen. Einziger, rein subjektiver, Wehrmutstropen für mich, dass mir Mathildas Organ live ein wenig zu dünn herüber kam.
Das erste persönliche Highlight brachte dann leider Gottes auch den ersten und eigentlich auch einzig erwähnenswerten Regen der gesamten drei Tage mit sich. Es betraten „Orango“ die Bühne. Den Jungs, denen ich während des letzten Dreivierteljahres bereits dreimal live beiwohnen durfte, überzeugten mich auch mit diesem Gig wieder. Das norwegische Blues/Southern/Classic-Trio ist in seiner Heimat längst schon eine große, musikalische Nummer, hierzulande kennt man die Jungs live jedoch erst seit August 2016. Auf dem FVF ließen sie sich nicht vom während des Gigs beginnenden strömenden Regen stören und zündeten mit ihrem Mix aus „CSNY“, „Allman Brothers“ und auch „Lynyrd Skynyrd“ ein echtes Feuerwerk. Erwartungsgemäß waren mit „Heartland“, „Bearded love“, „Cajun Queen“ und auch „Diggin‘ for praise“ auch alle meine lieb gewonnenen Songs im Repertoire. Ich bin mir sicher, dass sich die Jungs auch heuer wieder nur Freunde gemacht haben. Diese Musik, diese sympathischen Jungs, muss man eigentlich auch lieben. Schlagzeuger Trond Slåke zeigte einmal mehr auch, dass er nicht nur auf der Bühne eine echte Stimmungsmaschine ist. Zudem ließ er im kurzen smalltalk durchblicken, dass „Orango“ bereits Songs für unzählige weitere Album im Petto haben und allerspätestens Anfang 2018 ein neues Album veröffentlichen werden. Großartiger Typ, großartiger Auftritt, großartige Band. Diese Jungs rocken!
Mit „Arbouretum“ aus den USA erwartete mich dann im Anschluss die erste, mir bis dato gänzlich unbekannte Band, die Bühne. Und das, obwohl die Jungs ganz aktuell bereits ihr sechstes Album am Start haben. Ihre Musik steht im Grunde perfekt für das gesamte „Freak Valley Festival“. Verrückt vielfältig. Dieser Band-Mix aus hippieskem Folk, ausladendem Psychadelic Rock und fettem Stoner-Riffing klingt nicht nur interessant, sondern war offensichtlich auch exakt das, was die Zuhörerschaft mit großer Unterstützung anzuerkennen gedachten. Ihr Set bestand weitestgehend aus Songs vom aktuellen Album und endete mit dem Jimmy Webb Cover „Highwayman“. Ich weiß nicht wirklich, ob ich einer der wenigen war, die „Arbouretum“ bis vergangenen Donnerstag nicht kannten, bin mir aber sicher, dass ich nicht der einzige bin, der dieser Band nach ihrem Auftritt musikalisch etwas näher kommen wird.
Die größte Fanbase des ersten Tages schienen „Conan“ am Start zu haben. Das britische Power-Trio war wieder einmal mit ihrem energetischen Mix aus Doom-Metal samt Sludge- und Noiserock-Elementen am Start. Die Instrumente bis in die Kniekehlen herunter getuned startet das Set mit dem genretypischen Riffing in Dauerrotation. Gitarrist, Sänger und Mastermind Jon Davis ergänzt sich auf der Bühne prima mit Bassist Chris Fielding und gemeinsam gibt’s dem Publikum gehörig auf deren Lauschlappen. Drummer Rich Lewis steht auch live beiden in Nichts nach. Auch wenn ich diese Band nicht zwingend zu meinen Faves zähle, bin ich beeindruckt wie es den Dreien gelingt, trotz der teils magmaartigen Zähflüssigkeit ihrer Lieder, das volle Potenzial in Bezug auf „zerstörerische“ Dynamik auf den Punkt abzurufen und an uns Zuhörer weiter zu geben. Das ließ auch mich nicht unwippend zurück. Trotz musikalischer Simplizität, und das meine ich überhaupt nicht boshaft, schaffen es die Jungs live eine pompöse Stimmung zu erzeugen. Es wäre ein prima Soundtrack für einige Tolkienschen Werke gewesen. Fett und martialisch in Einem.
Nach dieser musikalisch etwas schwereren Dampfwalze erblickte dann eine weitere persönliche Überraschung das Licht des recht bewölkt daher kommenden Siegerländer Himmels. Es stellten sich mir „Maserati“ aus Athens, nicht zu verwechseln mit Athen, vor. Die vier US-Amerikaner waren mit instrumentalem Postrock am Start. Hier mal der Hang zum Krautrock, dann wiederum auch mal unverkennbare Einflüsse Pink Floyds. Auch wenn ich auf den mir bekannten Album nie dieses Gefühl gewann, schien live on stage Drummer Mike Albanese die Pace vorzugeben und den Mitakteuren durch sein lebendiges wie unbarmherziges Spiel die Schau stehlen zu wollen. Sich auf der Bühne gegenüberstehend passen sich die Gitarristen Coley Dennis und Matt Cherry aber auch stimmig ein. Der Auftritt der Vier hat etwas von diesem „anything you can do I can do better”-Charme. Entfesselt und geradezu vollkommen schaffen sie es, auf beeindruckende Art und Weise die Studioperfektion auf die Bühne zu übertragen. Dies war fürs gesamte Publikum hörbar grandios wie eben auch für mich.
Headliner des „Day 1“ waren dann die staubtrockenen „Slo Burn“. 1996 nach der Kyuss-Trennung von John Garcia ins Leben gerufen, erlebten sie auch nur noch das gemeinsam musizierende Jahr 1997, bevor auch dieses Projekt dann ein jähes Ende fand. Produktiv wurde man in dieser Zeit nur im Rahmen eines 5-Track-Demos und einer 4-Track-EP. All diese Songs fanden natürlich auch den Weg über die Setlist auf die Bühne. Bis es soweit war, ließ sich aber schnell erkennen, dass es vor dem Gig technische Probleme gab, die offensichtlich nicht umgehend auszuräumen waren und zumindest bei Herrn Garcia für erkennbaren Unmut sorgte. Nun weiß man als Zuschauer ohnehin nie, ob es nun am Mischer oder der Band selbst lag oder an welchen Gründen auch immer. Leider führte diese Unruhe bei Garcia dazu, dass er eine lange Anlaufzeit benötigte und eigentlich bis zum Ende des Gigs nicht wirklich zufrieden schien. Einerseits ist es natürlich ärgerlich, wenn etwas nicht wie geplant über die Bühne geht, andererseits wurden solche Situationen auch schon professioneller überspielt. Grundsätzlich aber spürte man schnell, dass man es mit großartigen Musikern zu tun hatte, die ihr Handwerk durchaus verstehen. Und als im Laufe des Konzertes der Sound besser und besser wurde, wurde es für mich zu einer wahren Freude. Eh schon ein Freund nahezu aller Garciaschen Projekte, konnten mich das im Gegensatz zu vielen Kyuss-Liedern eher uptempo orientierte „The Prizefighter“, das fast schon in die Sludge-Ecke ausartende „Muezli“ und das den Gig abschließende typisch „Kyuss“-orientierte „July“ dann doch glücklich zurück. Woran es lag, dass im Laufe des Gigs, der ja mit dem Ende des ersten Festivaltages einherging, die Reihen sich vorzeitig mehr und mehr lichteten, kann ich aber nicht beurteilen.
II
Ich trabte aber rundum zufrieden heimwärts. Altbewährtes vereinte sich an Tag 1 ganz prima mit komplett Neuem und Überraschungen blieben auch nicht aus. Was will man mehr von einem Festivaltag? OK, dass noch zwei weitere kommen. Aber dies war ja zu diesem Zeitpunkt ohnehin klar.
Mein Dank gilt explizit auch noch der lieben Kirsten, die mir all die Fotos freundlicherweise zur Verfügung stellte.
(https://www.facebook.com/kirstenrockt/)