von Alois C. Braun
Dem Zufall sei Dank: Meeting Leonard Cohen
Seit meiner Teeniezeit begleitet die Musik von Leonard Cohen mein Leben. Wir waren alle Rock-Fans, damals, Anfang der 70er: Deep Purple, Uriah Heep, Led Zeppelin. Und trotzdem war nicht nur ich angetan vom kanadischen Poeten Leonard Cohen und dessen Musik. Auch in meinem Freundeskreis zeigte sich eine breite Zustimmung für diesen wunderbaren Künstler. Der große Bruder eines Freundes hatte mich darauf gebracht. Bereits 1976 hatte er mich bei einem Konzert in der Nürnberger Meistersingerhalle mehr als begeistert, damals beworben mit dem Slogan „The Poet of Rock Music“.
Dass ich das unglaubliche Glück haben würde, ihm einmal die Hand zu schütteln, wusste ich damals noch nicht! Es war der 31. März 1988 am Internationalen Flughafen von Los Angeles. Ich wartete nach einer Mexiko-Rundreise auf den Rückflug nach Frankfurt. Damals gab es noch keine Smartphones und ich hatte mit Musikjournalismus noch nichts am Hut, war aber schon ein Musikfreak. Und ich hatte zu Hause bereits ein Konzert-Ticket liegen für Leonard Cohen am 7. April in der Münchener Philharmonie. Der Flug hatte mehrere Stunden Verspätung. Ich suchte Zeitvertreib und beim Schlendern durch den Wartebereich saß er dann plötzlich da.
Nicht als VIP, nicht großkotzig, einfach als Mensch. Leonard Cohen war mit seiner Band zum Start der Tournee ebenfalls auf dem Weg nach Deutschland, wartete unter den „Holzklasse-Passagieren“ auf den gleichen Flug, LH 451. Damals absolut ungeübt im Umgang mit Prominenten und der englischen Sprache, nahm ich als Fan all meinen Mut zusammen und sprach ihn an. Er sah mich an, stand auf, gab mir die Hand, machte eine leichte Verbeugung (!) vor mir. Er, der Star, begrüßte mit aller Freundlichkeit und Stil einen Unbekannten. Was für eine Geste. Wir führten nur ein kurzes Gespräch (wie gesagt, mein Englisch war zu dieser Zeit eher rudimentär), aber die Aura dieses Menschen paralysierte mich. Wer ihm jemals nah war, der weiß, wovon ich spreche. Diese Ausstrahlung, diese Gelassenheit, dieses Interesse an seinem Gegenüber. Ich habe nicht nur im Rahmen meine Künstler-Interviews viele faszinierende Menschen getroffen, aber keinen wie ihn.
Leonard Cohen schaffte es nicht ohne Grund bei seinen Auftritten eine ganze Halle mit seiner Persönlichkeit gefangenzunehmen – nur mit Gitarre und dieser unglaublich sonoren Stimme.
Wie schon gesagt, war ich relativ früh mit seiner Musik, seinem gesamten Werk, in Kontaktgekommen. „Suzanne“, „Bird On The Wire“, wer kannte diese Songs damals nicht? Am 18. Juni 1976 besuchte ich deshalb sein Konzert in der Nürnberger Meistersingerhalle. Ein intensives und unglaubliches Erlebnis. Das Tourposter hing danach jahrelang in meinem Zimmer. Leider litt das anfangs erwähnte 1988er Konzert in der Münchener Philharmonie unter einer katastrophalen Akustik. Aber hey, ich hatte diesem außergewöhnlichen Mann da auf der Bühne erst vor ein paar Tagen die Hand geschüttelt und mich mit ihm unterhalten. Da fiel der Sound nicht so sehr ins Gewicht.
Auf seinen letzten, bis ins Jahr 2013 dauernden Tourneen habe ich ihn bedauerlicherweise nicht mehr gesehen. Die zahlreichen Ton- und Bilddokumente zeigen aber einen ausgeglichenen Menschen. Einen, der sich seiner Leistung bewusst und mit sich im Reinen war. Einen, der einfach gut war und kein großes Brimborium nötig hatte. Seine Aura ist auch auf CD und Video zu spüren.
Spätestens durch den Film „Shrek“ und dessen Soundtrack war sein Song „Halleluja“ unsterblich, wurde aber auch davor schon oft gecovert. Jeff Buckley gelang auf seinem Album „Grace“ bereits 1994 die wohl ergreifendste Version des Songs.
„You Want It Darker“, die letzte noch zu seinen Lebzeiten fertig gestellte und veröffentlichte Platte, ist ein extrem berührendes Gänsehaut-Album. Cohens brüchige Stimme und die extrem dunklen Texte ließen erkennen, dass es ihm bei den Aufnahmen nicht mehr gut ging.
Er sprach auch selbst vom nahenden Lebensende. Nach seinem Tod wurde dann noch ein Album fertiggestellt: „Thanks For The Dance“. Man schaffte das Kunststück dem Künstler ein absolut würdiges Denkmal zu setzen – meist sind solche posthumen Alben schlicht und einfach Müll. In diesem Fall waren wohl alle Beteiligten mit vollem Herzen und der Seele bei der Sache!
Mit seiner Persönlichkeit und seiner Musik strahlt Leonard Cohenüber seinen Tod hinaus das aus, was nicht nur in der Musikszene immer weniger zu finden ist: Charakter und Würde.
Wie schon gesagt gab es 1988 noch keine Smartphones, deshalb habe ich kein Foto mit ihm. Aber ich bin i mmer noch stolz darauf, dass er mir ein Autogramm gegeben hat, dort, am Flughafen in Los Angeles.