von Jens Schmiehoff
Leafmeal-Festival 2016 ( A feast of friends) – FZW Dortmund, 05.11.2016
Zum zweiten Mal seit 2015 fand am Samstag, den 5. November 2016, das “Leafmeal”-Festival im FZW Dortmund statt. Wie schon in seiner ersten Auflage überzeugte es wiederholt mit einem musikalischen Potpourri vom Heavy Blues über Post Rock bis hin zum Death Metal. Also nahezu für jeden etwas dabei und somit als herbstlicher Festivalausklang des Jahres 2016 äußerst gelungen. Gespielt abwechselnd auf zwei Bühnen. Auch diesbezüglich noch einmal ein Dank an die Organisatoren für das großartige Timemanagement.
Es begann am frühen Nachmittag mit der australisch-deutschen Kombination „Powder for Pigeons“. Stoner Rock à la Kyuss bot eine prima Basis für den rockig-metallischen Tag. Das treibende Schlagzeugspiel von Meike Hindemith bot samt der riffigen Gitarrenarbeit des Australiers Rhys Jones und gepaart mit dessen dreckigen, aber stets melodischen Gesangs, einen kongenial fuzzigen Output.
Im Anschluss daran begannen die Niederländer von „Gingerpig“den Tag auf der großen Bühne. Ex-„Gorefest“-Riffmeister Boudewijn Bonebakker gründete jene „Gingerpig“ im Jahre 2010 und verschrieb sich seitdem dem Heavy Blues mit gehörigem Jamfaktor. Den Wechsel des Bassisten Ende des Vorjahres hat die Band genauso bravourös überstanden wie die Hinzunahme eines Organisten als festes Livemitglied sinnvoll ist. Somit erhält der Sound der Niederländer auf der Bühne eine gehörige Deep Purple Schlagseite, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Weiland 2010 als ein Experiment begonnen, kann man mittlerweile konstatieren, dass der Schritt hin zu einer Ernst zu nehmenden Dauereinrichtung längst abgeschlossen scheint. Bitte mehr davon.
Schnurstracks zurück in den kleinen Saal erwartete uns erstmalig doomiger Metal mit einem enormen Okkultfaktor. Dargeboten von der Berliner Band „Albez Duz“ . Bereits 2006 gegründet, bot sie während ihrer Performance zu meiner Zufriedenheit erheblichen Riffrockanteil und weit weniger Black Metal Parts, als ich erwartete. Ihr charismatischer Sänger Alfonso Brito Lopez war die treibende Kraft auf der Bühne und schien für mich bisweilen eine herrlich verrückte Mixtur aus Belzebub höchstpersönlich und Joey DeMaio zu sein. Schaurig doomig, aber dabei stets melodisch, boten die vier Jungs mit Dame am Sechssaiter ein feines Doom-Brett, welches ansatzweise auch leicht psychadelische Töne zu bieten hatte. Wirklich klasse und fortan auf meiner umfangreichen „soon-to-hear-List“.
Was ich zu Beginn des nachfolgenden Auftritts der Griechen von „Villagers Of Ioannina City“ noch nicht wusste, war, dass sich diese Band zu meinen Lieblingen des Tages mausern würden. Als Band unter Freunden im Jahre 2007 gegründet, legen sie Wert darauf, dass man ihre Musik nicht mit gut oder schlecht tituliert, sondern besser mit ungewöhnlich und besonders, teilte mir Sänger und Gitarrist Alex Karametis nach deren Gig mit. Vielleicht passt aber auch mit Stoner-Einflüssen behaftete, experimentelle Gitarrenmusik, die orientalisch-folkloristische Klänge in sich trägt. Letzteres wird durch das Hinzufügen von Instrumenten wie Klarinette und Dudelsack nur allzu sehr unterstrichen. Passt nicht zu diesem Festival, meinte der geneigte Rock- und Metalhörer vielleicht noch anfangs. Passt doch, so war die unumwundene Meinung nach diesen vierzig griechischen Minuten. Und es rockte so sehr. Teils bauten sich die Songs minutenlang psychadelisch auf, um in einem genialen Gitarrensolo zu münden. Großartig – was sich mir insbesondere dadurch zeigte, dass ich kurzzeitig all das rund um mich herum Geschehene vergessen konnte. Jemandem, der die Band nicht kennt, zu beschreiben, welchen Stil sie verfolgen, ist tatsächlich nahezu unmöglich. Ansatzweise versuche ich vielleicht einen Bezug zu den großartigen „Psychotic Waltz“ herzustellen, auch wenn ich mir, gerade ausgesprochen, schon wieder eingestehen muss, dass auch dieser Vergleich nur hinken kann. Rockfreaks kennen die „Villagers“ bereits vom diesjährigen „Freak Valley Festival“, einige andere haben sie am Samstag in ihr musikalisches Herz geschlossen. Vor Allem wohl ich!
Psychadelisch – passt auch zu den Norwegern von Sahg. Sind sie schon mit ihrem vorletzten Longplayer „Delusions of Grandeur“ den Weg weg vom Doom geprägten Metal hin zu einem ab und an progressiven und jenem psychadelischen Hard Rock gegangen, setzten sie diesen konsequent mit ihrem Aktuellen Album „Memento Mori“ fort. Und dies auch gewohnt gut, obwohl man mit Gitarrist Thomas Tofthagen und Schlagzeuger Thomas Lønnheim die hälftige Besatzung austauschte. Gewohnt arrogant – in einem nicht einmal rein negativen Lichte – führte Sänger, Gitarrist und Gründungsmitglied Olav Iversen seine Jungs in die Dortmunder Arena. Und sie spielten professionell ihren Stiefel herunter. Doomige Soundpartikel wechselten sich mit sphärischen Gitarrenklängen ab und stets hing dabei das stonerriff verhangene Damoklesschwert über uns Zuhörern. Es war laut und es war trocken, aber leider auch schwammig und breiig. Wer für diesen eher mageren Sound verantwortlich zeigte (im Übrigen ist mir dies einzig bei Sahgs Auftritt aufgefallen) , entzog sich meiner Kenntnis, trübte aber die große Freude auf die Norweger schon enorm.
Der Auftritt der Band „Secrets Of The Moon“ zeigte im Anschluss, dass die einst einzig schwarzmetallischen Osnabrücker mittlerweile ihren Weg hin zu einer reiferen, ihr musikalisches Spektrum stets erweiternden, Combo auch live gehen werden. Und es funktioniert wie die Reaktion der Anhängerschaft heuer wieder deutlich machte. Auch dieser Auftritt in Dortmund ließ den Klargesang nebst den „cleanen“ Gitarren gehörig Spielraum, sich auszubreiten. Es legte sich ein schwerer, fast schon doomiger Teppich über die Halle, der stets stampfend und schwer keine Gefangenen machen wollte. Mal klang es dabei zornig und böse, um aber auch melancholischen Phasen genügend Spielraum zu unterbreiten. Dass ich, die Band bis dato nur am Rande wahrnehmend, bisweilen fast schon in Trance deren Rhythmus mitstampfte, sehe ich einfach mal als, selbstredend rein subjektives, Qualitätsmerkmal.
Der nach den ersten Acts aufkommende Appetit ließ dann leider Gottes keine Möglichkeit zu, mich um die deutschen Ketzer und deren mit Death- und Black-Metal Ingredienzen versehenen Thrash-Metal zu kümmern. Somit hieß es dann für mich weiter zu und mit den kanadischen Thrash-Prog-Metallern von Voivod. Die 1982 einst als musikalisches Konglomerat von Schulfreunden gegründet, räumten tatsächlich ab. Man spürte von Note 1 an, dass die Jungs kamen, um Spaß zu haben. Bestenfalls nicht allein. Und selbst, wenn diese Angst womöglich auch kurz mal Band intern aufkam, zeigt das Publikum der Band umgehend, dass sie gewillt waren, sich am Treiben zu beteiligen. Es rockte hier und thrashte dort und es wurde umgehend klar, dass insbesondere der Thrash Metal immer noch von den alteingesessenen Bands dominiert wird. Auch wenn das namensgebende Alter Ego der Band, der Voivod, bereits 2003 ad acta gelegt wurde, zeigten die vier Kanadier, dass die Band selbst noch mitten im musikalischen Leben steht. Umso erstaunlicher vielleicht, weil einige Anhänger im Jahre 2005 mit dem Ableben des bisherigen Gitarristen und Voivod-Mitbegründers Denis „Piggy“ D’Amour die Gruppe am Ende sahen. Zu sehr dominierte der mit Progeinflüssenen versehene Thrashstil der Band (nicht umsonst zählen ihre Landsleute von Rush zu ihren favorisierten Bands) von Piggys Arbeit. Dessen Gitarrenfregmente auch nach seinem Tode noch für alle Alben bis hin zum 2013er Output „Target Earth“ Verwendung fanden. Dass der neu hinzu gestoßene Gitarrist Daniel „Chewy“ Mongrain nicht nur auf diesem Album, sondern auch live weitaus mehr als ein Platzhalter ist, ließ er auch auf der Dortmunder Bühne erkennen. Eine unglaubliche Spielfreude gepaart mit einem treibenden Songpaket ließen die Halle dabei erbeben. Auch wenn der ein oder andere Anhänger Voivods der Meinung ist, dass die Band nicht in der Lage ist, live den massiven Produktionsaufwand ohne Elektronikeinsatz in der klassischen Dreierbesetzung (+Sänger) auf die Bühne zu bekommen, sehe ich dies differenzierter. Natürlich ist dies nicht 1:1 möglich, aber dies ändert nichts daran, dass ich die vier Kanadier wie immer überzeugend fand. Und die restlichen Musikfans schienen mir, zumindest Samstagabend, beizupflichten. Thrash as thrash has to be!
Die Auftritte der zwei folgenden Bands, die Sludger aus Oregon namens „Lord Dying“ sowie die schwedischen Death Metal Urgesteine von„Entombed A.D.“ fielen dann leider der weiteren Nahrungsaufnahme sowie Gesprächen mit Bands, die nahezu allesamt noch nach deren Gigs dort umher schwirrten, und anderen Besuchern, zum Opfer. Man kann eben auch an solchen Tagen leider nicht alles haben. Zu „Entombed A.D.“ nur noch so viel: sie haben vor dem Festival ihre Fans über die Setlist abstimmen lassen. Schöne Idee. Und im Gegensatz zu einer ähnlichen Metallica-Aktion während des RaR anno 2014 auch kostenlos.
Die zwei abschließenden Bands waren jene, die ich zum einen sehr mag und zum anderen noch nie live spielen sehen durfte. Soviel vorweg: sie enttäuschten beide nicht. Beginnen will ich mit der letzten Band auf der Club-Bühne: und zwar „Jess & The Ancient Ones“ aus dem wunderschönen Finnland. Ich tue mich immer schwer damit, Bands auf Grund einer wie auch immer gearteten Kategorie zu bewerten. Dann wären JATAO womöglich früh durchs Sieb geschliddert. Spielen sie doch einen Mix aus Retro-, Psychadelic- und Okkult-Rock. Also all das, was seit Jahren als hip tituliert wird. Aber weder ist damit ein Album Selbstläufer, noch muss es ermüdend klingen. Beides ist nicht der Fall. Überzeugten die Finnen mich doch schon auf beiden Alben und der dazwischen geschobenen EP. Live hat mich der Auftritt in meiner wohlwollenden Meinung darin dann nur bestätigt. Getragen insbesondere auch von der Bühnenpräsenz ihrer Sängerin Jess, die den Eindruck erweckt, esoterisch oder aber leicht LSD- angehaucht die Bühne zu entern. Gegebenenfalls auch beides zugleich. Sie trägt die Songs mit ihrer wunderbaren Stimme, die begleitet wird vom beseelten und zugleich betörenden Gitarrenspiels Corpses. Perfekt unterstützt von Bass und Orgelharmonien. Manchmal sakral klingend, dann wieder Woodstock inspiriert oder direkt einem britischen 60er-Jahre Soundtrack entsprungen. Wir erleben native, stimmungsvolle und nicht selten hypnotische Arrangements, die die zu Beginn teils etwas zaghaft agierende Zuhörerschaft schnell für sich gewinnen können. Dass der Damen-Anteil während keines anderen Acts des Tages derart hoch war, sollte aber keinen wahren Metaller daran hindern, sich diese Band einmal selbst zu Gemüte zu führen. Lohnt.
Female fronted ging es dann auch in den letzten Auftritt des langen Festivaltages. Die Beine, meinem Alter geschuldet, schon ein wenig schwer und zudem versuchte die Müdigkeit vermehrt Besitz von mir zu ergreifen. Aber diese Rechnung hatte mein Großhirn ohne Avatarium gemacht. Beim Warm-Up der Gruppe fiel mir ein schon genauso altbekanntes wie überraschendes Gesicht auf. Stimmte doch Per Wiberg (Kamchatka, Spiritual Beggars) die Tasten. Wie sich zu Beginn des Konzertes herausstellte, musste der Ausfall des Avatarium-Masterminds Leif Edling kompensiert werden. Und dies geschah vorzüglich. Schon mit ihrem ersten Erscheinen auf der Bühne, ließ die neue „Grand Dame des Doom-Metals“, Jennie-Ann Smith, die Herzen und die Stimmung im Saale höher schlagen. Hielt man Avatarium anfangs vielleicht noch für eine musikalische Spielwiese der Szene-Größen Edling (Gatte von Frau Smith im Übrigen) und Jidell, hat sich die Band mittlerweile zu einem Ernst zu nehmenden Act der internationalen Bühnen entwickelt. Auch live besticht Avatarium durch wälzende Doom-Rhythmen, die auch jedes Candlemass-Album bereichert hätten, düsteres Riffing aber auch unzählige emotionale Parts, die Frau Smith durch ihren, mich bisweilen an die junge Ann Wilson (Heart) erinnernden, Gesang fast allein zu tragen im Stande ist. Ob nun das balladeske, wunderschön intonierte „Moonhorse“, das riffig-groovende „Run killer run“ bis hin zum Western affinen „Pearls and coffins“ – alles überzeugt und begeistert die Fans. Die Musiker versprühen allesamt Spaß und zeigen, dass sie ihre jeweiligen Instrumente nicht das erste Mal bedienen. Ein pures Fest für musikalische Connaisseure, welches mit dem Namensgebenden Titel „Avatarium“ kraftvoll und intensiv abgeschlossen wird. Man mag sie gar nicht von der Bühne gehen lassen, wenn nicht der Körper nach nunmehr 10 Stunden auf den Beinen, doch seinen Tribut fordern würde.
Was bleibt hängen? Organisatorisch wie auch bezogen auf die Musikauswahl bot das „Leafmeal Festival“ im FZW Dortmund, für mich perfekte Unterhaltung. Auch wenn das ein oder andere Sitzmöbel mehr sicherlich auch einen „Besitzer“ gefunden hätte, mangelte es doch an nichts Elementarem. Somit wird auch das „Leafmeal 2017“ mich sicherlich wieder begrüßen dürfen. Danke.