Jens Schmiehoff Konzertreview – Freak Valley Festival – Day 2

von Jens Schmiehoff.

Nach Übernachtung/Frühstück in der geländenahen Pension Weber (ja, in meinem Alter ist Campen eher überbewertet), ging‘s voller Tatendrang zurück aufs Festival. An Tag 2 und 3 begannen die ersten beiden Bands jeweils auf der kleinen Bühne, der „Wake and bake stage“. High Noon am Freitag kam es dabei zu einem echten Heimspiel. „Green Orbit,“ mit zwei Mitgliedern der das Festival mitorganisierenden Rock Freaks am Start (Caro am Didgeridoo sowie Luko am Bass), begeisterten die Zuhörerschaft mit ihrem selbst ernannten stampfenden Lava-Rock. Der rein instrumentale Heavy Psych/Doom Mix wusste nicht nur die bereits bestehende Fanschaft des lokalen Vierers zu überzeugen. Auch meine Sympathie gewannen sie umgehend. Aber nur um nach dem Gig gleich ein Exemplar ihres Debutalbums einzufordern. Gegen Entgelt selbstredend. Bin ich ohnehin doch ein Freund der „support your local band“-Philosophie. Insbesondere, wenn diese derart groß aufspielt wie jene „grüne Satellitenumlaufbahn“. Im Anschluss sorgten „Elephant Tree“ für rifforientierten Doom samt Klargesang, was bei mir ohnehin immer gut ankommt. Das britische Quintett punktete bei mir über den musikalischen Spaß hinaus auch damit, dass sie am dritten Festivaltag ihren verlustig gegangenen Bassisten via Facebook suchten. Der sich dann aber auf gleichem Wege zügig zurück meldete. Sehr spaßig.

Nach einem kleinen Mittagshäppchen (Auswahl wie auch Preise sind auf dem FVF wirklich klasse) bewegten wir uns dann hin zur großen Bühne. Dort erwarteten uns „Limestone Whale“ aus dem bayerischen Wald. Mir schon vorab bekannt, weil sie eine meiner zahlreichen persönlichen Bandcamp-Entdeckungen waren, von denen ich mir im Vorfeld bereits das Debut-Album zulegte. Der auf dem Album perfekt von Richard Behrens (Ex-Mitglied und Produzent des Samsara Blues Experiment sowie Live-Mischer von Kadavar) in Szene gesetzte Sound, wurde dabei wirklich sehr gut auf die Bühne transportiert. Das Quartett schien dabei ebenso großen Spaß zu haben wie das Publikum. Sänger Clement Hoffer zeigt sich recht extrovertiert und intonierte die Songs, die mit Anleihen an Led Zeppelin oder UFO nicht sparten, sehr stimmungsvoll. Eine, nicht ganz ernst gemeinte, Bitte an die Band zum Abschluss: bitte kommt doch demnächst etwas geräuschneutraler zurück ins gemeinsame Hotel (der Autor schmunzelt bei diesen Worten).

Den Gig des seit 2014 bestehenden israelischen Powertrios „The Great Machine“ ging dann doch ein wenig an mir vorüber. Wie in Teilen womöglich auch an der Band, wie böse Zungen behaupten könnten. Aus der Ferne aber ließ sich erkennen, dass die beiden Brüder Aviran und Omer Haviv mit ihren derbe groovenden Riffs und Basslinien durchaus Vollgas gaben. Vom ersten Riff an schien Gegenwehr ohnehin überflüssig.

Mit dem New Yorker Trio „Geezer“ begann dann der von mir sehnlichst erwartete erste „Heavy Blues“-Act des zweiten Tages. Schon auf Platte liebe ich den Sound, der mich immer wieder vehement an die frühen „ZZ Top“ und „Blue Cheer“ erinnert. Die von Whiskey und Rauch geschwängerte Stimme von Pat Harrington, die „orange amped guitar“, selbst einige Bassläufe erinnern bisweilen an das Bassspiel eines Musikers einer britischen Band, die immer noch unter „Black Sabbath“ firmiert und gegebenenfalls als Namenspate der US-Amerikaner fungierte. Die Jungs legten live eine Spielfreude an den Tag, die mich vollends begeistert zurück ließ. So – und nicht anders – muss es verdammt noch einmal „on stage“ klingen. Wenn die drei begannen zu jammen, sich teils Delta-Rhythmen mit dem Blues der „Five Horse Johnson“ paarten, war ich einfach nur glücklich. Und „high“, einfach nur von der Musik. Gut so!

Im Anschluss erschienen dann die vier Niederländer „Death Alley“ auf der Bühne, die kurzfristig die krankheitsbedingt fehlenden Asteroid ersetzten. Dem Gros der Besucher durchaus gefallend, zündeten die Jungs mit ihrem Proto-Metal bei mir nicht ganz so. Ein wenig lag es dabei sicherlich auch am Organ des Sängers Douwe Truijens. Nicht, dass es nicht zum arschtretenden Rock’n’Punk der Band passte, gefiel mir dessen Stimme einfach nicht. Aber glücklicherweise lässt sich ja über Geschmack ohnehin nicht streiten. Mir schien es ab und an so, als hätte Douwe einige Tanzbewegungen aus dem Repertoire Robert Plants übernommen. Die Qualität der Musiker ist natürlich unbestritten Entstammen sie ausnahmslos anderen, bereits aufgelösten, holländischen Bands. Dass Oeds Beyndal zuvor die sechs Saiten für „The Devil’s Blood“ strapazierte, lässt sich bis heute noch in seinem Spiel erkennen. Dass dies einer der ersten Gigs nach der Demission des langjährigen Bassisten Dennis Duijnhouwer war, hinterließ überhaupt keine negativen Spuren. Die Band rockte sich in die Herzen und bestätigte zudem die gemeinsamen Tourtermine mit Kadavar von Mitte Oktober bis Mitte November 2017.

The Brew

Geschwister gemeinsam in einer Band – sicherlich keine Rarität. Dass aber Vater, Sohn und Neffe gemeinsam musizieren, ist dann doch eher selten der Fall. Nichts Anderes machen aber „The Brew“ aus Brimsy in England. Auch wenn die Vorstellung, dass mein Vater sich vor und mit mir den Allerwertesten abspielte, mir immer wieder ein süffisantes Lächeln ins Gesicht zaubert, führen Tim Smith (Herr Papa am Bass) und Kurtis Smith (Sohnemann an den Drums) diese Vorstellung von der ersten Note an ad absurdum. Gemeinsam mit dem positiv extravaganten Jason Barwick an der Gitarre (und Gesang) machen die drei sofort deutlich, dass ihnen innerfamiliäre Berührungsängste auf Bühnen Fremdwörter sind. In einer musikalisch LedZep recht nahe stehenden Art und Weise verströmen sie vom ersten Moment an den Eindruck, dass sie in diesem Moment nur hier und nicht woanders sein wollen. Und dies spürt und honoriert das Publikum sofort. Der musikalische Schwerpunkt liegt an diesem Nachmittage zweifelsohne auf dem aktuellen Longplayer „Shake the tree“. Wie aufgedreht bearbeitet Barwick seine Gibson Les Paul und hüpft währenddessen noch über die Bühne. Mitreißend. Auch Kurtis‘ obligatorisches Schlagzeugsolo darf nicht fehlen, auch wenn dies, wegen des recht kurzen Sets, heute mal etwas knapper ausfällt. Rundum ein gelungener Auftritt, der sogar die mitzureißen schien, die der Musik dieses Trios für gemeinhin nicht so dermaßen arg zugewandt sind.

 

Die musikalische Weltreise führt uns alsdann zurück nach Schweden, zu den von mir dringlichst herbei ersehnten „Greenleaf“. Dieser Mix aus Heavy, Blues und Stoner Rock hat es mir vom ersten Album der Skandinavier angetan. Und auch heuer sollten sie mich alles, nur nicht enttäuschen. Tommi Holappa & Co. sorgten für eine unglaubliche Stimmung. Mit seinem Gitarrenspiel, was manchmal sehr progressiv und dann wieder nahezu metallisch daher kommt, scheint er die Bühnenkonstruktion eigenhändig ’abfuzzen‘ zu wollen. Sebastian Olsson schlagzeugt sich die Seele aus dem Leib, Hans Fröhlich sorgt für klare, dynamische Basslinien und Sänger Arvid Jonsson steht ohnehin weit oben auf der Liste meiner Lieblingssänger. Mal rein melodisch, dann aggressiver, hier melancholisch, dort auch mal sperrig, findet er für jede Note der Rhythmusfraktion den passenden Ton. Dies wird live noch deutlicher, als ohnehin schon auf Vinyl. Ob nun „A million fireflies“, das ein wenig an QOTSA erinnert, ob „Pilgrims“, „Trails and passes“ oder der Rausschmeißer „With eyes wide open“ – dieser Gig war für mich bis dato das Highlight des bisherigen Festivals. Wer sich vor diesem an Coolness und Dynamik nur so strotzenden Auftritt selbst ein Bild machen will, sollte sich einen Konzertbesuch der Jungs ganz oben auf die Agenda schreiben. Punkt.

Mit zwei Langrillen am Start, enterten im Anschluss die US-amerikanischen Psych-Rocker aus der Bay Area, „Golden Void“, die Bühne. Mir bis zu diesem Tage eher nur namentlich ein Begriff, zogen mich die vier Amerikaner (Isaiah Mitchell – guitar/vocals, Camilla Saufley-Mitchell – keys/vocals, Aaron Morgan – bass, Justin Pinkerton – drums) schnell in ihren Bann. Vielleicht nicht so spektakulär wie ihre Vorgänger, wussten sie mich durch ihre Melange von 60er und 70er Klängen zu fesseln. Hier mal eine Note „Uriah Heep“, etwas „Pink Floyd“ oder auch „Blue Öyster Cult“. Stets aber eigenständig genug, um nicht als billige Kopie zu gelten. Professionell und eindringlich zugleich spielten sie ihr Set, ließen live leider nur etwas an Ecken und Kanten missen. Ab und an klang es mir einfach zu geradlinig. Allerdings hatten sie es bei mir auch nicht leicht, da sie hinter „Greenleaf“ spielen mussten. Grundsätzlich aber forderte der Sammler in mir nach dem Gig den unverzüglichen Kauf von „Golden Void“-Tonträgern ein.

Mit den italienischen Riffmonstern „Ufomammut“ erwartete uns dann wieder ein unglaublich fetter, musikalischer Tritt in den Allerwertesten. Stoisch ruhig betraten die Jungs die Bühne und Gitarrist Poia platzierte sich zielstrebig vor seinem großen Repertoire an Pedalen, Fußschaltern und Effektgeräten. Das dann kommentarlos auf uns zurollende Soundgebilde schien uns gleich fünf Meter weit nach hinten zu befördern. Diese instrumentale Wucht schien alles niederreißen zu wollen, was sich ihr in den Weg zu stellen gedachte. Tonnenschwer wälzten sich die psychedelischen Stoner- und Sludge-Rhythmen quer über den gesamten Festivalbereich. Wer nun meint, dass Kraft und Lautstärke Alleinstellungsmerkmale für den Sound der Italiener ist, sieht sich aber getäuscht.

Sie schaffen es nebenher noch, diese sehr atmosphärische Stimmung in erkennbare Melodien einzubinden und bisweilen mit Gesang zu unterlegen. Dann mal wieder ein eher simples Riff, die Amps bersten fast vor lauter Fuzz und das Schlagzeug arbeitet sich im Hintergrund an unseren Trommelfellen ab. Wer während eines „Ufomammut“-Gigs sich langweilend abwendet, kann sich sicherlich auch nicht an den vier lebenswichtigen Bausteinen in dieser teuren Nuß-Nougat-Creme erfreuen.

Es war groß, es war monumental, es war – ufomammut!

Zu guter Letzt erwarteten uns die alten Heroen von „Pentagram“. Weit im Vorfeld ist ja schon bekannt geworden, dass die Jungs ohne Bobby Liebling anreisen werden müssen. Ohne also ihren letzten Gründungsvater, der, so wurde kolportiert, auf Grund innerfamiliärer Streitigkeiten in amerikanischer U-Haft saß. Da man ohnehin befürchten muss, dass auch diese Ära bald beendet sein wird, setzte man sich nun eben mit der zuletzt 2011 rund erneuerten Besetzung auseinander. Die da heißt Victor Griffin (Gitarre und nun eben auch Gesang), der bereits zwischen 1980 und 1988 sowie 1993 und 1995 mit am Start war, Greg Turley (Bass und schon 1995 und 1996 im Team der Fünfsterne) sowie Albert Born am Schlagwerk, für den 2011 dessen erste Amtszeit begann. Klar vermisst man diesen verrückten Liebling, der so großartig in Heels über die Bühnen springen kann, der seine Ansagen in bester Ozzy-Manier durch die Mikrofone nuschelt und das Publikum stets grimassenartig auffordert, sich konstruktiv einzubringen. Und trotzdem war dieser Gig für mich alles, nur keine Enttäuschung.

Pemtagram

Die Jungs profitierten natürlich davon, dass eben mit Griffin und Turley alte Haudegen wieder mit an Bord waren. Und Griffin, eigentlich schon Bobbys Alter Ego, machte seine Arbeit großartig. Nicht nur, dass er ungerührt druckvoll seiner Saitentätigkeit nachkam, ließ er – rein gesanglich – Bobby kaum missen. Ob es sich dabei nun um die älteren Stücke „Sign of the wolf“, „Forever my queen“, der Klassiker „When the screams come“ aus dem Jahre 1987 hielt oder auch das Nina Simone Cover „Don’t let me be misunderstood“ – es passte und rockte. Und Bassist Greg Turley übernahm bei all dem am ehesten noch den Part des Stage-Entertainers. Ich habe Pentagram nach vielen Jahren erstmalig wieder gesehen und war tatsächlich begeistert. Auch wenn der Liebling mir schon fehlte (denn was war Sabbath ohne Ozzy, so sehr ich zB Hughes, Gillan und auch Dio mochte und mag), war das Pentagram-Set, welches mit „The Ghoul“ und „20 buck spin“ ausklang, ein würdiger Abschied des zweiten Festivaltages. Welches seinen absoluten musikalischen Höhepunkt jedoch erst in Tag 3 finden sollte. Aber davon demnächst mehr.

Auch hier gilt mein Dank wieder Kirsten, die mir auch all diese Fotos wieder zur Verfügung stellte.

 

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